Seit 2023 spielt sie im Team für Longwood

Verena Turnwald im Interview über ihre steile Lacrosse Karriere in die Division 1.

In ihrem Auslandsjahr in den USA kam Verena 2020 zum ersten Mal durch ihre Gastschwester in den Kontakt mit Lacrosse. Im ersten Moment war sie noch skeptisch und dachte, dass es „eher statisch ist und ein Ball ‚irgendwie‘ in der Luft rumgespielt wird“. Aber schon im zweiten Moment konnte sie einfach nicht mehr ohne diesen Sport.

Ganze zwei Wochen konnte sie in dem amerikanischen High School Team trainieren, bis sie wegen Corona ihr gesamtes Auslandsjahr abbrechen musste. Auch in der Heimat München durfte nicht mehr trainiert werden und so übte Verena jeden Tag an der damals noch weißen Hauswand Wallballs, schaute sich Videos auf Youtube an und brachte sich so die Basics einfach selber bei.

Als dann wieder trainiert werden durfte, berichten ihre Coaches später, dass sie direkt positiv durch die starke Athletik und Schnelligkeit aufgefallen ist und auch ihre schnelle Auffassungsgabe führte zu rapidem Fortschritt. Sie hat an ihren individuellen Skills vor allem selbstständig gearbeitet. Deswegen konnte im Training der Fokus auf die Förderung des LAX IQs gesetzt werden, der sich schnell entwickelte und steigerte. Damit hat sie den Aufstieg in das Münchner A-Team geschafft, wo sie mit vielen erfahrenden Spielerinnen spielen und trainieren konnte. Dabei hat sie jedes Feedback dankend angenommen und umgesetzt.

Nach fast zwei Jahren konnte man ihre Ligaspiele immer noch an einer Hand abzählen, aber trotzdem haben sich ihre Bemühungen gelohnt und sie wurde von der Longwood University in Virginia „committed“, unterschrieb im November 2022 ihren Vertrag und ist seit Januar 2023 in Amerika.

Wie schafft man das? Mit einer ganzen Menge Ehrgeiz und sicherlich auch einer Prise Sturheit. Aber lest selbst, was Verena im Interview berichtet und wie sie die ersten Monate in Longwood erlebt hat.


Wie fühlst du dich, als deutsche Lacrosse Spielerin in der amerikanischen Division 1 zu spielen bzw. nach so kurzer Zeit schon?

„Ich bin unfassbar stolz, mein Ziel jetzt erreicht zu haben. Ich bin wahnsinnig stur und ehrgeizig, jedoch habe ich teilweise gezweifelt, ob ich mein Ziel nicht zu hoch gesetzt hatte. Es gab auch nicht wenige, die mir gesagt haben, dass ich es nicht schaffen werde oder mich auf eine niedrigere Division konzentrieren sollte. Irgendwann hatte ich dann auch einen Plan B, bin aber eigentlich ständig auf mein ursprüngliches Ziel fokussiert geblieben, in die Division 1 zu kommen. Ich finde es hier aber auch wichtig zu betonen, dass Division 1 nicht mein Ziel gewesen ist, weil ich denke dass es „die beste Lacrosseliga“ ist – z.B. können D2/D3 Schulen teilweise spielerisch besser sein -, sondern viele verschiedene Faktoren für mich eine Rolle spielen, warum ich denke dass D1 und meine jetzige Uni am besten zu mir passt.
Generell bin ich super aufgeregt […] auf alles was kommt, und freue mich, nach Peppy die zweite deutsche Lacrosse Spielerin zu sein, die diesen Sprung gewagt und geschafft hat.“

Wann kam der erste Gedanke in die USA zu ziehen und „professionell“ Lacrosse zu spielen?

„Der Gedanke kam mir schon Mitte 2020, als ich angefangen habe Lacrosse zu spielen. Ich war sofort total besessen mit Lacrosse und wollte dann in der Zukunft auch auf dem höchstmöglichen Level spielen. Ich sehe im amerikanischen College Lacrosse momentan die beste Möglichkeit als internationale Spielerin in meinem Alter sehr gut zu werden. Abgesehen davon habe ich schon immer die typischen College-Athleten aus den USA beneidet und jetzt so meine Chance gesehen, diesen Lebensstil auch selbst erleben zu dürfen.“

Was musstest du für die Bewerbung tun?

„Mein „Recruiting-Process“ war sehr schwierig und kompliziert. Man hat es als internationaler Sportler sowieso schon schwer, von US-Coaches gesehen zu werden – und dann kam noch Corona, und der Faktor, dass ich erst so spät angefangen habe zu spielen, dazu. Da ich dann nicht in die USA reisen konnte um Camps zu besuchen, und wir auch keine Spiele hatten, die ich aufnehmen konnte – abgesehen davon, dass es sich kaum lohnt, die allerersten Spiele als „Highlightvideos“ an Coaches zu schicken -, habe ich [seit September 2020] Trainingsvideos gedreht und die dann an viele College Coaches geschickt. Die Coaches interessieren sich eigentlich hauptsächlich nur für Spielvideos, was die ganze Situation ziemlich frustrierend gemacht hat. Ich habe dann immer neue Videos geschickt, damit die Coaches sehen, wie ich mich im Laufe der Zeit verbessere. Wenn ich von Coaches eine positive Rückmeldung bekommen habe, hatte ich dann Gespräche mit ihnen über Zoom. Gegen Dezember hatte ich dann einige feste Angebote, habe dann immer mehr Colleges aussortiert und mich letztendlich im Februar [2022] für Longwood entschieden und dann auch für 2023 committed.“

Wie gefällt dir der College Alltag und wie sieht er aus?

Mir gefällt der College-Alltag sehr gut- es macht super viel Spaß, auch wenn es in der Pre-Season etwas eintönig sein kann, weil jeder zweite Tag komplett gleich ist (auch bezüglich Uni Kurse). Momentan sind wir in season, was heißt, dass wir zwei Spiele die Woche haben. Falls sie auswärts sind, fahren (oder fliegen) wir dann zu den Spielen. Das heißt, wir haben zum Beispiel zwei Tage keine Schule, weil wir reisen und meist über Nacht bleiben. Grundsätzlich haben wir zwei Tage die Woche [einen] Lift und die anderen drei Tage Conditioning (Sprinten, Fitness, Stickskills etc.). Wir haben 6 mal pro Woche zwei Stunden normales Lacrosse Training. Sonntag ist unser Offday- wobei ich an dem Tag dann einfach Wallball im Fitnesscenter mache. Bezüglich des Dormlebens ist es so, dass ich das erste Semester mit einem Roommate zusammen in einem klassischen Dorm wohne. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig da man wenig Freiheiten hat, aber auch praktisch, da sie in meinem Team ist. Nächstes Semester habe ich dann aber zum Glück mein eigenes Zimmer.

Was unterscheidet das Training in Amerika vom deutschen Training?

„Das Training ist sehr anders im Bezug auf die Stimmung. Es wird super laute Hype-Musik gespielt, und das ganze Team unterstützt sich gegenseitig und supportet alle Aktionen auf dem Feld. Irgendwie macht das mit der Musik einen sehr großen Unterschied- die Stimmung ist einfach der Hammer und es macht unendlich viel Spaß, jeden Tag mit seinen Freunden auf dem Platz zu stehen, zu zeigen was man kann und sich gegenseitig zu helfen, besser zu werden. Die Trainings sind sehr darauf ausgelegt, welche Teams wir als nächstes spielen, und wie wir deren Schwächen ausnutzen wollen.“

Was können wir uns von den Amerikaner*innen im Bezug auf Lacrosse spielerisch und im Training/Attitude abschauen?

„Im Training wie gesagt die Stimmung allgemein und das Supporten. Jeder klatscht jeden ab, und wenn man mal einen Ball nicht fängt, ist das vollkommen egal, denn es geht weiter. Spielerisch denke ich, könnten wir uns in Deutschland die Spielzüge abschauen (hier ist jedes Spiel taktisch durchgeplant) und eventuell auch etwas vom Scouting. Wir schauen uns vor jedem Spiel die Spielerinnen an, gegen die wir spielen werden, und schauen gemeinsam die letzten Spiele an, um die Taktik der anderen zu durchschauen, und herauszufinden, welche Spieler welche Fehler machen, um diese ausnutzen zu können und unsere Taktik (offensive und defensive) speziell an die der anderen anzupassen. Natürlich ist das in Deutschland schwer, da selten Spiele aufgenommen werden, aber da die Lacrosse Community so klein ist, könnte man sich ja trotzdem vor Spielen über die Spielerinnen und deren Stärken austauschen, um besser vorbereitet zu sein. Bei Spielen ist es definitiv die Sideline, welche wir auch verbessern können in Deutschland. Die Sideline ist so unfassbar laut […], und unterstützt die Coaches, wenn sie etwas aufs Feld schreien. Die Coaches schreien nonstop Anweisungen aufs Feld und so weiß man als Spieler eigentlich immer was man tun soll.“

Wem würdest du es empfehlen sich für einen Platz im Lacrosseteam an einem amerikanischen College zu bewerben?

„Kommt auf die Division an, aber Division 1 würde ich wirklich nur empfehlen, wenn man sehr ehrgeizig ist und sich dessen bewusst ist, dass man 6h pro Tag und 6-7 Tage die Woche Sport macht und währenddessen ja noch studiert. Man muss Lacrosse quasi atmen. Ansonsten gibt es ja noch viele andere Divisions, wo die Trainings anders aufgeteilt sind und man weniger Zeit investieren muss. Für Spielerinnen, die besser in Lacrosse werden wollen, und ein „Abenteuer“ erleben wollen, würde ich das auf jeden Fall immer empfehlen- man kann ja bestimmt auch ein einzelnes Jahr machen und man lernt einfach unfassbar viel über sich selbst wenn man ins Ausland geht. Es ist auf jeden Fall viel krasser und aufregender, als ich mir es vorgestellt habe und ich könnte nicht glücklicher sein, mir diese Chance erarbeitet zu haben.“

Hier kommen noch ein paar inspirierende Zitate von Verenas amerikanischen Coaches:

„If you see the net you can hit it.“
„If it doesn’t take more than one defender to stop you, you’re not going to play.“
„The team having the most fun is the one who’s going to win.“
„Conditioning and agility is so y’all don’t look like a Disney Channel basketball team from 2007.“


Letztendlich ist es Verena wichtig mit ihrer Geschichte darauf aufmerksam zu machen, dass man vieles schaffen kann, wenn man nur hart genug dafür arbeitet. Ihr Appell ist es: „bei einem [so] großen Ziel mit „Tunnelblick“ durchzugehen – solange bis man es erreicht hat. Man sollte sich […] anhören, was andere, die mehr Erfahrung haben als man selbst, sagen, jedoch sollte man sich auch selber gut einschätzen können und im Kopf behalten was man wirklich will und wie viel man dafür (auf-)geben möchte. Ich denke, dass man so tatsächlich alles erreichen kann.
Ich hoffe, ich kann junge Lacrosse Spieler durch meine Story für höhere Ziele motivieren, oder sogar dazu anregen, es auch auf dem „nächsten Level“ als Student-Athlete in den USA zu versuchen. Danke, an alle die mir geholfen haben, gemeinsam mit mir trainiert haben und mich verbessert haben. Ohne meine super hilfsbereiten Mitspieler und Coaches weiß ich nicht, ob ich es geschafft hätte.“


Auch von unserer ersten Division 1 Damen Lacrossespielerin Penelope Pennoyer, und unserem ersten Division 1 Herren Lacrossespieler Per Olters, der seit 2018 in Vermont spielt, könnt ihr weitere Interviews lesen.

Posted by DLAXN.