Der DLaxV ist am 31.05. an uns herangetreten und hat uns vor Allem darum gebeten, einige Punkte besser zu differenzieren und deutlicher zu machen, dass hier subjektive Erfahrungen, Vorkommnisse und Meinungen dargestellt werden. Dem sind wir mit Änderungen entgegengekommen.

Es ist Mai, die Rückrunden in allen Ligen sind beinahe vorbei. Einige Teams bereiten sich aktuell intensiv auf Playoffs und DM vor, viele andere sind jetzt damit beschäftigt ihren Teams Spots bei einem der Sommerturniere zu sichern.

Sommerturniere beziehungsweise Spaßturniere im Allgemeinen sind ein wichtiger Teil der Lacrosse Kultur in Deutschland. Es geht darum Erfahrungen zu sammeln, das eigene Team besser kennen zu lernen, neue Leute zu treffen, alte Freunde wiederzusehen und einfach Spaß zu haben. Auch einige Nationalspieler*innen haben auf so manchem Spaßturnier wichtige Spielerfahrung gesammelt. Spätestens nach dem zweiten oder dritten Turnier merkt man auch als Rookie, wie klein und eng vernetzt die Lacrosse Community ist.

Dass man sich kennt, macht Lacrosse in Deutschland aus. Zusammen mit der Tatsache, dass Lacrosse bislang vorwiegend ein Akademikersport ist, führt das oft zu der falschen Vorstellung, dass dieser Sport frei von sexualisierten Übergriffen sei. Und von dieser falschen Vorstellung müssen wir uns entfernen. In Vereinen und auf Turnieren sind konkrete Fälle aufgetreten, die teilweise auch an den DLaxV und die Polizei herangetragen wurden. Aufgrund der mangelnden Maßnahmen seitens des Verbandes wollen wir hiermit einen Versuch unternehmen, Gedankengänge anzustoßen und Bewusstsein zu schaffen. Deutschland Lacrosse, wir müssen uns über sexualisierte Gewalt und mangelndem Jugendschutz in unserem Sport unterhalten!

Zuerst vielleicht die Frage, wer „wir“, die Autor*innen dieses Artikels, eigentlich sind? Wir sind Opfer, Freunde von Betroffenen oder einfach Lacrosser*innen, die auf dieses Thema aufmerksam machen möchten.

Sexualisierte Gewalt kann physisch und psychisch ausgeübt werden, mit und ohne Körperkontakt. Sie umfasst alles von sexueller Belästigung und sexueller Nötigung bis hin zur Vergewaltigung und findet sich in jeder Bevölkerungsschicht. Übergriffige Situationen werden meistens unterbewusst oder bewusst damit gerechtfertigt, dass es eben dazugehört, wenn Menschen betrunken sind, feiern und eben ein bisschen über die Stränge schlagen. Erwartet werden solche Übergriffe nicht, aber wirklich überrascht ist dann auch niemand. Das bedeutet allerdings nicht, dass man nichts daran ändern kann. Turniere wie der Beate Uhse Cup in Würzburg, der 3Samcup in Freiburg oder das LaBox in Göttingen haben in der Vergangenheit eigene Awareness Konzepte entwickelt und für sich umgesetzt. Sie gehen damit in die richtige Richtung und liefern niederschwellige Handlungsoptionen für neuere Spieler*innen, die diese enge Gemeinschaft als einschüchternd empfinden können. Als Spieler*innen, als Vereine, als Turnierausrichter*innen, als Mitspieler*innen von Täter*innen und Überlebenden und als ganzer Verband tragen wir die Verantwortung, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Am 21. Februar 2021 wurde beim Deutschland Lacrosse Forums die Stabsstelle Prävention sexualisierter Gewalt vorgestellt, die verpflichtend für alle Sportverbände im DOSB ist (https://www.youtube.com/watch?v=bF5xpB-G-QY). In diesem Rahmen wurden viele Ziele präsentiert. Es sollten konkrete Handlungsleitfäden, Kommunikationsstrategien und Partnerschaften mit anderen Verbänden eingeführt werden. Der damalige stellvertretende Vorsitzende meinte zurecht, dass wir als junger dynamischer Verband einfacher handeln und ein Bewusstsein schaffen könnten, bevor etwas passiere und es dann eigentlich schon zu spät sei.

Wir müssen nun enttäuscht feststellen, dass aus unserer Sicht zu wenig davon wirklich umgesetzt wurde. Betroffene, die ihren Fall an den DLAXV herangetragen haben, fühlten sich vom Verband nicht ernst genommen und unangemessen behandelt. Vor Beginn der letzten Turniersaison wurde nach Initiative der zurückgetretenen 1. Vorsitzenden und Wunsch aus der Community ein Instagram-Post vom Verband zum Thema Consent geteilt. Die Spaßturniere werden nicht vom DLaxV organisiert, sondern von dessen Verbandsmitgliedern, den Vereinen. Demnach tragen die Vereine die direkte Verantwortung für die Erstellung von Awareness-Konzepten und anderen Maßnahmen zur Prävention von sexualisierter Gewalt. Unsere Erwartung an den Verband ist es allerdings, die Vereine und Turnierorga hierfür zu sensibilisieren und durch beispielsweise nationale Leitlinien und Konzepte konkret und proaktiv zu unterstützen. Wir verstehen, dass alle Verbandspositionen Ehrenämter sind und dass der Fokus auf Lacrosse bei Olympia stand und steht. Trotzdem möchten wir nicht akzeptieren, wie aktuell mit dem Thema umgegangen wird.

Eng verknüpft mit dem Thema der sexualisierten Gewalt ist der Jugendschutz. Es wurden zwar vor Kurzem Handlungsempfehlungen vom DOSB und DSJ auf der DLaxV Website hochgeladen, aber kein Vereins-Jugendtrainer*in unseres Wissens davon in Kenntnis gesetzt. Unserer Meinung nach müsste der Verband die Jugendtrainer*innen der Vereine, sowie den Staff der Nationalmannschaften stärker für Themen des Jugendschutzes sensibilisieren.

Es gibt Spaßturniere, an denen minderjährige Spieler*innen teilnehmen unabhängig davon, ob das Turnier explizit ab 18 ist oder nicht. Dabei wird von den Veranstaltern und den Aufsichtspersonen geduldet, dass die Jugendlichen zu viel harten Alkohol trinken oder rauchen. Wir sind uns alle wahrscheinlich einig, dass zu den Turnieren auch Party und viel Spaß dazugehören. Umso wichtiger ist es, dass wir solche Vorkommnisse nicht ignorieren und uns unserer Verantwortung bewusst sind, wenn wir als Sport gemeinsam wachsen wollen.

Um euch ein bisschen besser zu zeigen, welche Situationen wir meinen, haben wir ein paar „harmlosere“ Beispiele von Spaßturnieren aus der Community zusammengetragen:

„Mehrere Spieler kommen auf eine Spielerin mitten am Turniertag zu. Sie hatten sie anscheinend gesucht, um sie zu fragen, warum sie ihrem Kumpel gestern keine geblasen hat, nachdem er sie ja oral befriedigt habe. Das sei ja komplett unfair und uncool, dann einfach schon abzuhauen.“

„Ich (w) war auf der Player’s Party eines Turniers. Auf einmal greift mir jemand von hinten zwischen die Beine – eine versehentliche Berührung im Vorbeigehen kann das nicht gewesen sein. Ich drehe mich direkt um, schlage zu, am liebsten will ich die Nase dieses widerlichen Typen brechen. Seine Freunde ziehen ihn weg. Als ich dafür sorgen will, dass er raus fliegt und nicht mehr am Turnier teilnehmen kann, muss ich mir anhören, dass sowas eben manchmal auf Partys passiere und das eben mit dazu gehöre.“

„Ich (m) war auf einer Lacrosse-Party bei einem Turnier und hatte mit meiner Freundin vereinbart, dass wir bei sowas wie dem Eiswürfelspiel nicht mitmachen. Irgendwann zieht mich eine Person am Nacken zu sich und drückt mir ihren Mund auf. Ich war komplett überrascht und auch gleichzeitig verärgert, weil ich keine Zeit hatte zu reagieren.“

„Beim Flip Cup und Rage Cup geht das Bier aus. Ein Typ bietet an, Nachschub zu holen, und ich (w) melde mich zum Helfen. Auf dem Weg zum Zeltplatz dreht er mich plötzlich um, versucht mich zu küssen und mir in die Hose zu greifen. Ich stoße ihn weg und frage, was das soll. Er meinte nur, dass ich ja mit ihm gekommen sei.“

„Nach dem ersten Turniertag bestellten wir Pizza und sitzen gemütlich zusammen. Jugendspieler und Betreuer sind auch dabei. Die Jugendspieler holen sich an der Theke Shots, zwei fangen an sich eine Zigarette anzuzünden. Als ich den Betreuer frage, ob das okay ist, meint er, dass sie es ja auch zuhause machen und er ihnen hier den Spaß nicht verderben möchte. Ein paar Meter weiter entledigt sich ein betrunkener Herrenspieler grölend seinem einzigen Kleidungsstück, einem Onesie.“

Was fordern wir für die Zukunft? Jede*r von uns sollte sich kritischer mit sexualisierter Gewalt im Kontext des Lacrossesports befassen und bewusster Situationen wahrnehmen. Die Vereine sollten angemessener mit Betroffenen umgehen, externe Stellen hinzuziehen und das Geschehene nicht unter den Teppich kehren, auch wenn man sich persönlich ja so gut kennt. Die Stabstelle Prävention sexualisierter Gewalt muss von der DLaxV-Führung in Zukunft richtig unterstützt werden und es muss mehr Wert daraufgelegt werden, die vor drei Jahren vorgestellten Ideen endlich umzusetzen. Es gehört unserer Auffassung nach nicht nur zu den Aufgaben der Stabsstelle Prävention (sexualisierter) Gewalt Handlungsempfehlungen auf der Website zu teilen, sondern sie muss als Ansprechpartner für die Community sichtbarer werden. Aktuell ist der Eindruck bei vielen leider, dass die Stabstelle Prävention (sexualisierter) Gewalt nur als Fassade für den DOSB dient – vor Allem bei denjenigen, die teilweise schon vor über 2 Jahren ihre Fälle an den Verband herangetragen haben. Wir müssen diese in Zukunft verhindern können und notfalls angemessen unterstützen und reagieren.

Hier der Link zur neu besetzten Stabstelle Prävention (sexualisierter) Gewalt. 

Notfallkontakte:

Bundesweites Hilfetelefon                         08000 116 016

Weisser Ring                                                 116 006

Hilfeportal sexueller Missbrauch              0800 22 55 530

Nummer gegen Kummer (jug.)                 116 111

Nummer gegen Kummer (Eltern)             0800 11 10 55