Box Lacrosse ist in Deutschland nicht wirklich von großer Bedeutung. Auch wenn das Interesse in den vergangenen Jahren und vor allem mit der Gründung der Box-Nationalmannschaft im Jahr 2014 und der HILB (Herren Indoor Lacrosse Bundesliga) 2016 deutlich gesteigert wurde, ist Feld-Lacrosse dennoch die dominierende Variante im deutschen Lacrosse.

Dabei gibt es viele Gründe, die dafür sprechen zumindest ein bisschen Box-Lacrosse zu spielen.

Der Punkt der Eingängigkeit ist dabei der erste auf der Liste. Box-Lacrosse hat ein deutlich einfacheres Regelwerk und ist nicht nur aufgrund der Nähe zum Eishockey auch für externe und Lacrosse-Laien schnell zu verstehen. Das beginnt schon damit, dass alle Spieler bis auf den Torwart mit der gleichen Ausrüstung spielen. Dabei wird kein Unterschied zwischen einem Verteidiger, der auf dem Feld ja bekanntlich mit einem längeren Schläger spielt, und einem offensiven Spieler gemacht. Auch die Regel des Backups, die beim Feldlacrosse oft zu Verwirrung und fragenden Gesichtern führt, ist in der Halle einfacher geregelt. Warum sollte man als angreifendes Team den Ball wiederbekommen, wenn man ihn am Tor vorbei ins Aus schießt?! Landet beim Box ein Ball im Aus, was übrigens aufgrund der Banden viel seltener der Fall ist, bekommt wie in den meisten anderen Sportarten auch, das gegnerische Team den Ballbesitz. Auch das lästige Offside fällt weg, da immer fünf gegen fünf gespielt wird und fliegend zwischen Angriff und Verteidigung gewechselt wird. Das macht nicht nur das Spiel viel schneller, sondern lässt auch alle permanent am Spiel teilhaben.

Das bringt uns auch direkt schon zum zweiten großen Punkt, der Schnelligkeit. Richtig, kein Offside, weniger Bälle im Aus und fliegende Wechsel erhöhen die Geschwindigkeit des Spiels enorm. Zudem kommt mit dem, im Vergleich zum Feldlacrosse, deutlich kleineren Spielfeld eine weitere Komponente hinzu, die die Schnelligkeit maßgebend beeinflusst. Die Shotclock, die auch im Feldlacrosse in der Zukunft unausweichlich scheint, tut ihr übriges um einen permanenten und ansehnlichen Spielfluss zu ermöglichen. Alle 30 Sekunden muss beim Box-Lacrosse ein Schuss aufs Tor kommen. Gelingt dies und das angreifende Team bleibt nach dem Schuss in Ballbesitz, wird die Uhr wieder auf 30 Sekunden hochgesetzt. Gelingt es nicht innerhalb der 30 Sekunden einen Ball aufs gegnerische Tor zu bringen, bekommt der Gegner nach Ablauf der Shotclock den Ball und das Spiel geht postwendend wieder in die andere Richtung. Die daraus resultierenden häufigen Ballbesitzwechsel, wirken sich oft positiv auf das Spiel Geschehen aus. Szenen wie bei der Feld-WM 2018 [Kanada vs USA], bei denen trotz „Stall Warning“ Keep-Away gespielt wird, anstatt das gegnerische Tor anzugreifen, sind schlichtweg nicht möglich. Zudem führt der Zeitdruck dazu, dass höhere Risiken im Spiel genommen werden, da Turnover einfach nicht so schwer ins Gewicht fallen. Riskante Pässe und spektakuläre Abschlüsse, die auf dem Feld fast nie gespielt werden, sind beim Box-Lacrosse an der Tagesordnung.

Stickskills. Box-Lacrosse erfordert Stickskills. Ich will nicht sagen, dass diese beim Feldlacrosse nicht wichtig sind, im Box-Lacrosse sind die technischen Anforderungen jedoch schlichtweg deutlich höher. Weniger Platz auf dem Feld, begrenzte Zeit, große Torhüter und kleine Tore erfordern ein hohes Maß an Genauigkeit. Für Neulinge ist das zu Beginn oft eine große Herausforderung, da alles oft einfach zu schnell geht und die Schläger-Skills nicht ausreichen um, vor allem offensiv, wirklichen Einfluss auf das Spiel zu nehmen. Letztendlich werden die „guten Hände“ beim Box-Lacrosse nahezu automatisch trainiert. Nicht nur im Training bekommt man deutlich mehr Wiederholungen als beim Feldlacrosse. Der Ball ist schlichtweg selten weg und befindet sich fast nie mehr als eine oder zwei Sekunden im Schläger, bevor er weiter zum Mitspieler bewegt oder auf das Tor geschossen wird. Das Box-Lacrosse einen auch auf dem Feld weiterbringt zeigt sich am Beispiel der kanadischen Nationalmannschaft. Auf dem Feld sind die Kanadier ziemlich auf Augenhöhe mit der Feld-Lacrosse Nation aus den USA. In der Box kann das amerikanische Team, trotz zahlreicher Spieler, die in der Profiliga NLL aktiv sind, nicht mit den nördlichen Nachbarn mithalten.

Viele Spieler und Zuschauer mögen die Hallen-Variante auch aufgrund der sichtbaren und allgegenwärtigen Härte. Diese kommt vor allem dadurch zustande, dass im Gegensatz zum Feld-Lacrosse sogenannte „Crosschecks“ erlaubt sind. Beim Verteidigen müssen die Hände am Schläger demnach nicht zusammen genommen werden um aktiv zu checken. Hinzu kommt, dass auch abseits des Balles aktiv gegen die Gegenspieler vorgegangen werden darf, um Räume auf dem Feld freizuspielen oder dies in der Verteidigung zu verhindern. Das macht es vor allem für die Defensivspieler interessant. Nicht nur die 1 vs 1 Verteidigung ist ohne Longsticks und ohne die großen Räume auf dem Feld eine komplett andere. Die Team-Defense auf vergleichsweise engem Raum kann faszinierend anzuschauen sein, vorausgesetzt sie funktioniert. Generell lassen die Schiedsrichter in der Regel deutlich mehr durchgehen und die leicht weinerliche Einstellung der Spieler, die zumindest in Europa auf dem Feld leider recht weit verbreitet ist, findet man beim Box-Lacrosse kaum.

Der letzte Punkt, der Box-Lacrosse so faszinierend macht ist die große Historie, die hinter dem Sport steht. Die Profiliga in Nordamerika (National Lacrosse League) zieht in den vergangenen Jahren mehr und mehr Aufmerksamkeit auf sich. Bis zu 20 000 Zuschauer verfolgen die Spiele live im Stadion. Doch neben dem internationalen Aushängeschild NLL, gibt es viele Traditionsreiche Vereine, die in Kanada ihre Championships ausspielen. Der bekannteste Wettbewerb ist dabei sicherlich der Mann Cup, der zum ersten mal 1910 ausgetragen wurde. Die meisten der Vereine die damals um den Titel spielten, tun dies auch heute noch. Nicht selten hört man von Spielern, die einen Sieg im Mann Cup dem der NLL vorziehen würden, auch wenn weniger Geld dahintersteckt. Neben den Herren sind auch die Junior-Programme äußerst anerkannt. Wenn im Minto-Cup die besten der Nachwuchsspieler um den nationalen Titel spielen, begeistert das oft ganze Ortschaften mit tausenden von Zuschauern. Vor allem die Iroquois Nationals verkörpern Box-Lacrosse wie kaum andere. In vielen Reservaten dreht sich das alltägliche Leben um das Thema Box-Lacrosse. An diesen Orten herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Das haben auch die deutschen Nationalspieler erleben dürfen als sie sich bei den Six Nations in einem Freundschaftsspiel auf die WM 2019 vorbereiten durften. In Europa sind es die Tschechen, die die Tradition des Box-Lacrosse verkörpern. Für viele Nordamerikaner ist das Feld in Radotin die beeindruckendste Arena der Welt. Dort wurde eine Art Lacrosse schon gespielt, bevor man überhaupt wusste, was Box-Lacrosse überhaupt ist. Nachdem der Eiserne Vorhang fiel, hat sich auch in Tschechen Box-Lacrosse durchgesetzt und erfreut sich dort bis heute großer Beliebtheit.

Zum Schluss haben wir noch ein Video von John Desko (Syracuse Headcoach), warum zumindest jedes Kind Box-Lacrosse spielen sollte.

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Posted by Gustav Weber