Captains Recap

Teamcaptain Matthias Lehna und fünffacher Nationalspieler fasst seine persönliche Eindrücke der letzten Weltmeisterschaft in San Diego zusammen. Er gibt einen kurzen Überblick zum Stand von Lacrosse in Deutschland und gibt Ratschläge, wie es die nächste Generation sogar bis nach Olympia 2028 schaffen kann.

In diesem Sommer hat der Deutsche Lacrosseverband (DLaxV) schon zu zwei internationalen Turnieren eine Nationalmannschaft geschickt. In die USA nach San Diego die Herrennationalmannschaft zur Weltmeisterschaft und nach Prag die U21 Damennationalmannschaft zur Europameisterschaft. Als Captain der Herrennationalmannschaft und Spieler in San Diego gebe ich hier eine kurze Analyse der Weltmeisterschaft unter Palmen. 

Auf folgende Punkte gehe ich dabei ein:

  1. WM Recap – Zahlen, Daten, Fakten
  2. Stand von Deutschland Lacrosse – Wo kommen wir her?
  3. Ausblick –  Kommt Olympia 2028?

WM Recap – 26 Freunde sollt ihr sein

Die Weltmeisterschaft in San Diego zusammengefasst in Zahlen:

Games RecordPlacement
85-3 (.625)11th
StatisticsOverallPlacement
Goals668th
Assists416th
Shots-per game8.259th
Shooting percentage36.1%5th
Man-up goals94th
Ground balls1534th
Caused turnovers346th
Clear percentage98.1%2nd
Saves567th
Faceoffs65-15118th
Faceoff percentage43%20th
Players (incl. Alternates)Clubs (domestic)Clubs (foreign)
26112
Quelle: Worldlax2023.com

Analyse: Die Zahlen zeigen aus meiner Sicht folgendes: 

  1. Deutschland Lacrosse kann definitiv mit den Top 10 Teams der Welt mithalten. 
  2. Diese Nationalmannschaft repräsentiert die deutsche Lacrosse Community.
  3. Ein fehlender Faceoff Spezialist hat unseren Turniererfolg beeinflusst.

Ich habe als Spieler bisher an drei Weltmeisterschaften (‘14, ‘18, ‘23) teilgenommen und kann im Vergleich eine Leistungssteigerung im gesamten Teilnehmerfeld feststellen. Das Spiel ist schneller und intensiver geworden. Vor knapp zehn Jahren konnte ich ein schnelles Spiel, kombiniert mit taktischem Geschick, nur bei den Top 8 Mannschaften der Weltmeisterschaft zu beobachten. 2018 war dies maximal bei den Top 10 Teams der Fall und jetzt sind wir mindestens bei den Top 12 Nationalmannschaften angekommen, die auf einem sehr hohen spielerischen Niveau liegen. Das liegt nicht nur daran, dass immer mehr Programme sich mit Athleten aus US-High School und College Programmen eindecken und die Grenzen der eligible Spieler ausreizen.

Ehemalige und aktive NCAA College-Athleten in den Nationalmannschaften

Es liegt auch einfach daran, dass dieser Sport sich wahnsinnig schnell entwickelt hat. Die Spezialisierung auf einzelnen Positionen hat zugenommen. Trotz einer Platzierung als 11. hat diese Weltmeisterschaft (und die Statistik) gezeigt, dass Deutschland Lacrosse bei dieser Entwicklung mithalten kann. Ich werte diese Weltmeisterschaft daher als Erfolg. Wer die Spiele gegen Japan (PlayOff First Round) und gegen Irland (Platzierungsspiel Platz 11) analysiert, stellt schnell fest, dass es nicht an Talent fehlt, höchstens an Konsistenz im Spiel. 

Ein wichtiger Faktor bei diesem Nationalmannschaftspogramm war der Impact von gut gecoachten Spielern, die schon in der Jugend angefangen haben den Stick in die Hand zu nehmen. In diesem Jahr zeigt dies aus meiner Sicht seine volle Wirkung (Kudos an Pete de Santis und sein U-21 Nationalmannschaftsprogramm). Die goldene Generation der Jahrgänge 2000 – 2003  (U-21 Vize-Europameister von 2021) hat den Sprung in den Seniorbereich geschafft und Verantwortung übernommen (siehe Defense MVP Marius Butz, Jg. 2003).

U21 Vize-Europameister und Defense MVP 2023 Marius Butz #10.

Wichtig ist aber auch, dass wir im aktuellen Nationalmannschaftsprogramm einen Coaching Staff haben, der die deutsche Lacrosse Community so genau wie kein anderes Programm zuvor kennt. Headcoach Adam Marshall hat bewiesen, dass es sich auszahlt, wenn man jemanden Vertrauen schenkt, der fest in der Community seit über zehn Jahren integriert ist und in Deutschland lebt (Proof? Mehrmaliger Deutscher Meister Feld und Box, fährt zum Scouten nach Erlangen zu einem Spieltag). Er hat sich nicht gescheut, Talente von TSG Tübingen, Marburg Saints Lacrosse, oder TB 1888 Erlangen in den Kader zu berufen.

Er setzt damit den von seinem Vorgänger Matt Bagley eingeschlagenen Weg weiter fort und ist dabei noch konsequenter. Er war sogar bereit mit Gustav Weber (1880 Frankfurt Lacrosse) einen Frankfurter Attacker über einen Attacker eines D1 College-Program (University of Vermont, Per-Anders Olters #36) in den Kader zu setzen. Allein Gustav Webers kurzfristige Absage hat Platz für Olters im Nationalmannschaftskader gemacht. Ein NCAA D1 College-Athlet als Nachrücker in einer Nationalmannschaft? Das gibt es nur bei uns. Per-Anders Olters hat das mit einer Spitzenleistung gedankt.

Per-Anders Olters #36 in Aktion Tabelle Topscorer WM

Adam Marshall großer Verdienst ist es, Spieler aus 14 verschiedenen Vereinen, die in ihren jeweiligen Vereinen Führungsspieler sind, zu einer Mannschaft zu formen. Diese Strategie auf homegrown Athleten und einem einheimischen Coaching Staff zu setzen, hat sich bewährt. Aus Häuptlingen Indianer zu machen ist eine hohe Coaching Kunst und wurde in früheren Programmen mit dem „Einkauf“ von amerikanischen College-Spielern erzwungen. Ein Ansatz, der kurzfristig gedacht und wenig zur Entwicklung in der deutschen Lacrosse Community beigetragen hat, oder kann sich hier noch jemand an Andrew Rullan (Duke’12) von der WM 2014 erinnern?

Trotzdem zeigt gerade beim Faceoff wie wichtig es ist gut ausgebildete Spezialisten im Team zu haben. Lukas Kins #7 (HTHC Hamburg) hat kurzfristig eine undankbare Aufgabe übernommen und sich innerhalb kürzester Zeit für diese Position ausbilden lassen. Sein Opfer für das Team ist bemerkenswert, aber international nicht konkurrenzfähig. Um international bei den obersten Platzierungen mitzuspielen, muss an andere Lösungen gedacht werden dürfen.

Ungeachtet der Platzierung hat dieses Nationalmannschaftsprogramm bewiesen, dass Deutschland Lacrosse international wettbewerbsfähig ist, ohne sich komplett auf US High School, oder College-Athleten stützen zu müssen.

Wo kommen wir her?

Die deutsche Lacrosse Community ist klein. Mit geschätzt 2.000-3.000 aktiven Sportlerinnen und Sportler spielen wir im deutschen nicht-olympischen Verbandsbetrieb auf einer Ebene mit Ultimate Frisbee. Das bedeutet der Talentpool, aus der sich die Nationalmannschaftsprogramme ihre Leute rekrutieren können, ist schnell ausgeschöpft. Manche Counties an der amerikanischen Ostküste haben mit ihren High School/ College Programmen einen größeren Talentpool. Dass wir trotzdem international mithalten können, liegt zum einen an dem schon erwähnten Impact von früh gut ausgebildeten Lacrossern und der im internationalen Vergleich guten Lage an Coaches in Deutschland.

Hinzu kommt, dass wir einige Ausnahmetalente hervorbringen konnten, die das Nationalmannschaftsprogramm prägen und tragen:

  • Per-Anders Olters #36 University of Vermont
  • Wynton Bastian #26 Providence College
  • David Beckmann #9 Presidents Team 2019, 2022
  • Matthias Lehna #4 Presidents Team 2018, All-World Team 2023
Ausgewählt durch die Redaktion von „The Lacrosse Network“

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Der DLaxV kann in allen internationalen Disziplinen (Feld, Box, Sixes) gute Nationalmannschaftsprogramme stellen. Doch außerhalb der sehr engagierten Community der Nationalspieler gibt es in Deutschland Lacrosse Schwierigkeiten einen ganzjährigen Ligabetrieb aufrechtzuerhalten (please insert here: Anzahl abgesagter Spieltage). Dringende Reformen im Spielbetrieb werden blockiert (siehe DLaxV-Mitgliederversammlung 2023). Von fehlendem Funding, schwierigen Trainingsbedingungen und geringer Wahrnehmung noch nicht einmal gesprochen.

Es gibt jedoch einen wichtigen Indiz dafür, dass wir in Deutschland trotz aller Widrigkeiten zumindest im Herrenbereich einen gesunden Wettbewerb haben: Seit 20 Jahren hat es kein Team geschafft den Titel als Deutscher Meister zu verteidigen. Dagegen kann die Bundesliga mit FC Bayern einpacken. Das alles ohne ein Drafting System, sondern alleine durch die Konkurrenz und den Ehrgeiz einzelner Vereine über zwei Jahrzehnte hinweg. Wer es nicht glaubt, soll sich die Finalspiele der letzten Jahre um die Deutsche Meisterschaft noch einmal angucken. Knappe, spannende Spiele haben die Meister der letzten Jahre hervorgebracht. Doch wie geht es weiter?

Verlieren wir international den Anschluss?

Ich lehne mich mit einer Behauptung jetzt weit aus dem Fenster: Olympia 2028 wird kommen. Auf der Townhall, während der Weltmeisterschaft in San Diego, hat die Präsidentin von World Lacrosse, Sue Redfern, zuversichtlich einer Entscheidung des IOC zur Aufnahme in das olympische Programm für die Spiele in Los Angeles entgegen geblickt. Der IOC tagt dazu in diesem Herbst. Das bedeutet für Lacrosse in Deutschland endlich Hoffnung auf Fördertöpfe des olympischen Sportbunds und damit eine wesentliche Verbesserung der Situation aller Nationalmannschaftsprogramme.

Ich bin der Meinung: Kein Spieler, der sein Land international vertritt, sollte eine Turnierteilnahme aus eigener Tasche bezahlen müssen. Da Sixes als olympische Disziplin zählen wird, wird es vermutlich zukünftig andere Programme querfinanzieren und damit noch wichtiger werden im Verband. Und das sage ich als Long Pole und überzeugter Kontaktspieler. Und eine weitere Sache zeichnet sich ab. Lacrosse wird noch schneller werden.

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Gerade für kleinere Vereine mit weniger Ressourcen wird der kommende Wandel eine Herausforderung bleiben. Sie mitzunehmen bleibt weiterhin eine wichtige Aufgabe des Verbandes. Allerdings dürfen sie nicht als Ausrede dienen, um Reformen im Spielbetrieb zu verhindern (Looking at you DLaxV AG Ligareform). 

Bei dieser WM war ein großes Thema die fehlende Shotclock und Clearing Time. Wir dürfen uns dieser Debatte nicht verschließen. Eine Einführung einer Shotclock und/oder Clearing Time in Deutschland darf kein Tabu sein.

Warum nicht mit einer Einführung beim nächsten Springball anfangen und dann folgerichtig in den Play-Offs und der Final Four der Deutschen Meisterschaft? Wir sollten keine Angst vor Veränderungen haben. Über eine Abschaffung der Feld-Hinrunde, Etablierung einer Boxliga im Herbst und einer Sixes Liga im Sommer kann man dann gleich ebenfalls nachdenken. 

The Future is bright

Auch wenn die Platzierung bei dieser Weltmeisterschaft auf den ersten Blick enttäuschend wirken mag, gibt es viel Grund für Zuversicht. The future is bright for Germany Lacrosse. Im Nationalmannschaftskader liegt das Medianalter bei unter 25 Jahren. Einem großen Block junger Spieler standen ein paar alten Veteranen wie mir (Jg. 1989, BHC Berlin) Christian Schulz (Jg. 1988, ABV Stuttgart), Felipe Oehrwald (Jg. 1989, BHC Berlin) und Peter Wittmann (Jg. 1990, TB 1888 Erlangen) gegenüber.

Lasse Volquardsen (Jg. 2002, 1880 Frankfurt Lacrosse), Marius Butz (Jg. 2003, HLC-München), Felix Kins und Mischa Zinoview (beide Jg. 2000, HTHC Hamburg) haben bewiesen, dass sie international gegen US College-Athleten mithalten können. Benjamin Grimm (1880 Frankfurt Lacrosse), Anton Wesse (HTHC Hamburg), Oliver Nass (Rhein-Neckar Lacrosse, alle Jg. 2003 ff.) und viele weitere Spieler stehen schon in den Startlöchern, um beim nächsten internationalen Turnier ihr Können unter Beweis zu stellen. Aaron Trapp (Jg. 2006, BHC Berlin), Sohn vom Nationalspieler Johannes Trapp (‘98) wird nächstes Schuljahr in ein High School Program kommen und vielleicht wie sein Vater den Weg in die Nationalmannschaft finden. 

Und noch ein weiterer Lichtblick sorgt für Zuversicht. Der ehemalige Nationalspieler Hendrik du Bois-Reymond  (‘10, ‘12, ‘14) hat mit dem Jack B. Kaley Scholarship ein wichtiges Förderprogramm ins Leben gerufen, um Spitzenathleten zu unterstützen. Insgesamt 11 Spieler wurde damit schon die Teilnahme an einem internationalen Turnier ermöglicht. Zielgerichtete und auf einzelne Spieler ausgerichtete Spitzenförderungen ist der richtige Weg, um Deutschland Lacrosse nach vorne zu bringen. 

Wenn dieses Nationalmannschaftsprogramm den aktuell eingeschlagenen Weg konsequent weiter geht, bin ich mir sicher, dass bei der nächsten Europameisterschaft eine Medaille herausspringen wird. Mein Rat an alle ambitionierten Lacrossespieler in Deutschland, die es irgendwann in die Nationalmannschaft schaffen wollen: Trust the Coaches, spielt Box, Sixes und Feld und nehmt alle Turnier- und Spielmöglichkeiten mit. Vielleicht klappt es dann sogar mit Olympia 2028.

Sticks Up 

Über den Autor

Matthias Lehna ist seit 2013 im Nationalmannschaftsprogramm des deutschen Lacrosseverbandes (DLaxV). Er hat im Feldlacrosse an drei Weltmeisterschaften teilgenommen und ist seit 2018 Teamcaptain. Im Boxlacrosse (Indoor) hat er bei der Europameisterschaft 2017 in Turku, Finnland mitgespielt und ist 2022 bei der Europameisterschaft in Hannover Vize-Europameister geworden. Im deutschen Ligabetrieb hat er drei mal die deutsche Meisterschaft gewonnen.