DLAXN: Kannst du uns kurz etwas über dich und deine Lacrosse Karriere erzählen? Was machst du beruflich und wieso bedeutet Lacrosse so viel für dich?

Lukas Heri: Ich war seit klein auf ein grosser Eishockeyfan. Mein Vater und mein Onkel waren und sind immer noch grosse Fans des EHC Biel. Ich dementsprechend auch. Als junger Fan des Sports habe ich dann auch zum ersten Mal von Lacrosse als „Vorgängersportart“ des Eishockeys gehört. Später habe ich am Gymnasium meine Abschlussarbeit teilweise über Lacrosse geschrieben. Ich hätte zu dieser Zeit auch gerne mit dem Sport begonnen, allerdings gab es in meiner Nähe keinen Verein. Ein Jahr später habe ich in Basel mit meinem Studium angefangen und bin den Basel Spartans beigetreten. Mein erster Coach war somit der legendäre Mario von Jackowski, der (nicht nur) der alten Garde des deutschen Lacrosses ein Begriff sein dürfte.

Nach dem Abschluss des Studiums 2015 habe ich in meiner Heimatstadt Solothurn mit ein paar Kollegen, welche noch keine Lacrosseerfahrung hatten, einen eigenen Verein gegründet.

Seit 2015 habe ich zudem für die Schweiz an den Welt- und Europameisterschaften in Box und Feld teilgenommen. Das sind für mich immer die Highlights des Jahres, denn Spitzensportler zu sein war immer ein Kindheitstraum von mir. Diese Turniere und die Vorbereitung darauf kommen dem noch am nächsten.

Die Nationalmannschaftskampagnen lassen sich auch gut mit meiner beruflichen Tätigkeit als Eishockeytrainer vereinbaren, denn während der Vorbereitung auf die Lacrosse Europa- und Weltmeisterschaften befinden sich die Hockeyaner im Sommertraining. Da finden dann jeweils keine Spiele statt und die Wochenenden sind frei für Lacrossecamps und -turniere.

Lukas Heri im Spiel gegen Hong Kong bei der WM in Langley 2019

DLAXN: Wie sieht deine Trainingswoche aus? Was hast du in der Vergangenheit getan um so ein hohes Lacrosse-Niveau zu erreichen?

Heri: Wenn gerade kein Corona ist, trainiere ich zweimal pro Woche im Verein, plus vielleicht einmal pro Monat an der Wand oder beim Schusstraining. Ich gehe zugegebenermaßen nicht mehr oft an die Wand, allerdings war ich in meinen ersten beiden Jahren quasi täglich an der Wand, bzw. hatte ein Tor im Garten stehen, welches ich wirklich ständig genutzt habe. In dieser Zeit hatte ich ständig einen Stock in der Hand. Einmal pro Woche leite ich zudem noch einen Schulsport-Lacrossekurs für Primar- und Sekundarschüler.

Von April bis August fahre ich den Trainingsbetrieb jeweils etwas hoch und mache zusätzlich drei Einheiten pro Woche bei einem Personal Trainer Kumpel von mir. Plus mindestens 1x pro Woche Schusstraining und die ganzen Nationalmannschaftscamps und -turniere (Prag im April ist ein Muss).

„Ich sehe im Lacrosse noch viel Potential, was die ehrenamtlichen Trainer angeht.“

DLAXN: Du bist als Nachwuchstrainer beim SC Langenthal im Eishockeysport aktiv. Was spielt das Eishockey für dich für eine Rolle und was können wir vom Eishockey-Sport lernen?

Heri: Als Nachwuchstrainer beschäftige ich mich viel mit motorischen Fähigkeiten („skills“) und Spielverständnis bzw. wie diese erworben und vermittelt werden können. Das lässt sich beinahe eins zu eins auf das Coaching meines Clubteams übertragen – und natürlich auch auf meine persönliche Entwicklung.

Eishockey ist nach Fussball die Nummer Zwei in Sachen Zuschauersport in der Schweiz. Das ermöglicht es im Nachwuchs neben ehrenamtlichen Trainern auch professionelle einzustellen. Ich sehe im Lacrosse noch viel Potential, was die ehrenamtlichen Trainer angeht: Ich bin schon mehreren ehrenamtlichen Trainern begegnet, welche einen enormen Aufwand (12h+ pro Woche) für ihren Sport bzw. ihr Team betreiben, und das neben ihrer Vollzeitstelle. Diese werden dann aber auch ordentlich entschädigt – erhalten also nicht nur eine „Aufwandsentschädigung“, sondern kommen finanziell positiv aus der Sache raus. Bei euch in Deutschland gibt es ein paar Vereine, welche ähnliche Lösungen mit nordamerikanischen Coaches haben. Ich denke, aber dass sich da noch mehr – auch Einheimische – finden lassen müssten. Und die Ausrede „Wir haben noch nicht genügend Ehemalige“ zieht meiner Meinung nach da nicht. Das kann ja auch ein aktiver Spieler sein. Die Doppelrolle Spieler/Funktionär ist bei uns ja gang und gäbe.

DLAXN: Spielst du lieber Box oder Feld? Was machen dabei für dich die Unterschiede aus und wie findest du es, dass es keine einheitliche Lacrosse-Variante gibt?

Heri: Ich spiele lieber Box. Als offensiver Spieler nimmt mir die Shotclock etwas Druck weg. Das mag im ersten Moment verkehrt herum klingen. Aber wenn ich als offensiver, kreativer Spieler einen riskanten Pass spiele oder sonst ein Risiko eingehe und wir den Ball verlieren, geht es in der Regel 30 Sekunden bis wir den Ball wieder zurück in der Offensive haben. Eine schlechte Entscheidung im Feldlacrosse führt unter Umständen zu vier Minuten Ballbesitz des Gegners, welcher im dümmsten Fall in einem Tor endet. Und um noch einen draufzusetzen verlieren wir noch das kommende Face Off und dasselbe passiert noch mal. So gesehen ermöglicht die Shotclock den offensiven Spielern mehr Risiken einzugehen.

Ich begrüsse aber die Abwechslung zwischen Feld- und Boxlacrosse. Ich bin gespannt wie sich die olympischen Regeln spielen werden. Ich kann mir vorstellen, dass die Offensive so sehr bevorteilt ist, dass – ähnlich wie im Basketball – mehr Possessions in Toren enden als in Turnovers.

Für das Lacrosse in der Schweiz ist Deutschland ein gutes Vorbild

DLAXN: In Nationalmannschaften stellt sich immer die Frage ob und wenn ja wieviele Non-Passport-Holder aufgenommen werden. Wie ist deine Einstellung zu diesem Thema?

Heri: Ich glaube, dass die sich sogenannten „Ringers“ (Spieler, welche nur für das Turnier Teil der Mannschaft sind. Also an keinen Vorbereitungscamps oder -turnieren teilnehmen) langfristig für diese Nationen nicht bezahlt machen werden. Sie heben zwar das Spielniveau dieser Nationen enorm, allerdings wird das Gefälle innerhalb der Mannschaft umso grösser. Da gibt es das Argument, dass das den schwächeren Spielern Möglichkeiten gibt, Luft auf höherem Niveau zu schnuppern. Aber wie viel hast du davon, wenn diese Spieler an keinem Vorbereitungscamp dabei war und du am tatsächlichen Turnier nur 4 Minuten Einsatzzeit pro Spiel erhältst? Ausserdem nimmst du so Spieler 24 und 25, welche nicht mitreisen durften, die Möglichkeit Erfahrung zu sammeln, welche sie zu Hause weitergeben könnten.

Handkehrum gibt es aber auch Non-Passport Holders, welche für ihre Nationen langfristig wahnsinnig wertvoll sind. Das sind dann aber keine „Ringers“, welche nur am Turnier dabei sind und dann nichts mehr beitragen, sondern meistens Expats, welche im Land, für welches sie spielen, leben oder zumindest regelmässig hinreisen und vor Ort mithelfen. Wenn solche Non-Passport Holders einen Spot im Roster erhalten ist das für mich absolut legitim.

DLAXN: Wie nimmst du als Aussenstehender die Entwicklung des Lacrosse-Sports in Deutschland wahr? 

Heri: Für das Lacrosse in der Schweiz ist der Sport in Deutschland ein gutes Vorbild. Die Strukturen lassen sich sehr gut vergleichen und dementsprechend lässt sich auch vieles übertragen. Persönlich bin ich etwas neidisch darauf, dass es in Deutschland mehrere Vereine gibt, welche mehr als eine Mannschaft für den Ligabetrieb stellen und so eine erste Mannschaft stellen können, welche leistungsorientiert ist und eine gewisse Verpflichtung der Spieler verlangen kann. Einzelne Vereine in der Schweiz sind auf dem Weg dahin, aber da fehlt schon noch ein ganzes Stück. Wer in der Schweiz sowas sucht, findet das nur in der Nationalmannschaft.

DLAXN: Wie siehst du deine Zukunft im Lacrosse-Sport?

Heri: Ich werde die nächsten Jahre weiterhin an meinem Verein arbeiten und versuchen langfristig durch Nachwuchsarbeit eine Struktur wie vorhin erwähnt (mehrere Mannschaften, leistungsorientiert) zu erschaffen, so dass die nächste Generation in den Genuss dieser Dinge kommt.

Ich möchte gerne weiter bis zur WM 2023 in Los Angeles teil beider Nationalmannschaften bleiben, dann schaue ich mal weiter.

Seit August bin ich zudem Präsident des Schweizer Lacrosse Verbandes. In dieser Rolle ist es mein Ziel 1000 Lizenzen für aktive SpielerInnen zu erreichen, denn erst mit 1000 Aktiven, kann ein Verband Swiss Olympic beitreten.

DLAXN: Verfolgst du die NLL? Hast du ein Lieblingsteam? 

Heri: Ja, ich verfolge die NLL und schaue mir während der Saison via VPN regelmässig Spiele des vergangenen Wochenendes an.

2019 habe ich eine Saison in Vancouver Sr. B Box Lacrosse gespielt und durfte hin und wieder mit ein paar Spielern des New Westminster Salmonbellies Sr. A Teams trainieren. Seither verfolge ich deren NLL Teams etwas genauer. Die meisten davon spielen bei den Vancouver Warriors. Somit wären die Warriors dann wohl mein Lieblingsteam.

Lukas Heri geht seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Toreschiessen nach

DLAXN: Was hälst du von Trashtalk?

Heri: Das gehört dazu. Selbst teile ich aber eigentlich nie aus. Ich glaube, mich auch nicht wirklich davon beeinflussen zu lassen. Allerdings fühlt es sich schon besonders gut an vor dem „lautesten“ Verteidiger des Gegners ein Tor zu bejubeln.

DLAXN: Was macht einen perfekten Mitspieler aus?

Heri: Für mich macht einen perfekten Mitspieler aus, was auch einen guten Lacrossespieler ausmacht: Ein akkurates Selbstbild steht wohl an erster Stelle. Er weiss, was er besonders gut kann und er besser anderen überlässt. Er erkennt, wann er Fehler gemacht hat und kann seine Individualtaktik dementsprechend anpassen. Wenn das Selbstbild stimmt, hat der Spieler auch automatisch ein gesundes Selbstvertrauen, denn er weiss ja was er kann und was nicht.

Ausserdem sollte der Spieler auch wirklich jedes Spiel gewinnen wollen. Da gehören auch Emotionen nach einem verlorenen Spiel dazu.

Dann sollte er noch ein hervorragender Garderoben-DJ sein, immer wissen wo’s nach dem Spiel die kühlsten Getränke gibt und mich jedes Mal anspielen, wenn ich alleine am Crease stehe.

DLAXN: Was würdest du jungen Lacrosse Spielerinnen und Spielern mit auf den Weg geben um im Lacrosse erfolgreich zu werden?

Heri: Nimm‘ den Stock so oft in die Hand wie du kannst! Geh‘ an die Wand oder geh mit jemandem ein paar Bälle werfen. Nimm dir die Zeit für jedes Training, auch wenn ihr nur zu dritt seid. Dass ich mir bereits in meinem ersten Jahr ein eigenes Tor gekauft habe, hat die Motivation für den Sport immer hochgehalten. Im Gegenzug mussten im Laufe der Zeit drei Fenster meines Elternhauses ihr Leben lassen.

DLAXN: Vielen Dank Lukas für deine Zeit und das tolle Interview. Wir verfolgen dich weiterhin und blicken mit Freude in die Zukunft.

Posted by DLAXN